НОВОСТИ 15.04.2025
Interview mit Natalia Dvoryaninova: „Ethnokultur ist nicht nur ein Job, sondern ein Teil meines Lebens“
Natalia Dvoryaninova ist Koordinatorin für ethnokulturelle Arbeit beim Deutschen Humanitären Hilfsfonds. Wie brachte ihre Liebe zur Kultur ihrer Vorväter sie in die Organisation, über die ersten Aktivitäten und Herausforderungen sowie über die Bedeutung ethnokultureller Projekte, erzählte Natalia in unserem Interview.
— Natalia Nikolaevna, erzählen Sie uns, wie kamen Sie in die Organisation zu arbeiten?
— Meine Familie ist seit 1996 mit dem Volksrat der Deutschen eng verbunden. Zuerst war meine Großmutter, die ihrerzeit eine Trudarmee durchgemacht hatte. Dann meine Tochter, die in Sprachcamps teilnahm.
Ich war lange Zeit in einem Deutschkurs, aber ich wusste nicht, wie vielfältig die Projekte da umgesetzt sind. Eines Tages lud mich meine Lehrerin zu einer Veranstaltung ein, die “Weihnachtsbäckerei” hieß. Die Erwachsenen backen Kekse zusammen mit einem Sprachassistenten, und die Jugendlichen bastelten Postkarten. Mir gefiel die Atmosphäre der Veranstaltung sehr gut..
Im Jahr 2021 habe ich auf Instagram eine Stellenausschreibung für eine/n Koordinator/in der Jugendarbeit gesehen. Damals unterrichtete ich Philosophie an der Kirgisisch-Russischen Slawischen Universität und betrieb eine Website, aber mir fehlte die Interaktion. Am letzten Tag des Bewerbungsverfahrens beschloss ich, mein Glück zu versuchen. Als ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, war die erste Person, die ich sah, Julia Gert, unsere ehemalige Kollegin vom Geisteswissenschaftlichen Gymnasium № 23. Ihre Frage: „Natalia, bist du wirklich bereit, die Philosophie aufzugeben?“ – brachte mich zum Nachdenken. Aber ich dachte, dass ich diese beiden Bereiche kombinieren kann, denn die deutsche Welt liegt mir sehr am Herzen.
Die Stelle der Koordinatorin für ethnokulturelle Arbeit bekam ich jedoch erst später. Aber damals hatte ich einen entscheidenden Kontakt mit der Organisation und begann, mich allmählich in die Arbeit des Büros in Bischkek zu integrieren.
— Erinnern Sie sich an Ihre erste Veranstaltung in Ihrer neuen Rolle?
— Ja, ich habe beim Erntedankfest mitgeholfen. Ich war für die Planung des Kulturprogramms zuständig. Ich schrieb Drehbücher, wählte Moderatoren aus, half bei der Dekoration. Für mich als Lehrer war das jedoch eine neue Erfahrung. Im Leseraum hatte ich immer die Kontrolle über die Situation, aber bei einer so großen Veranstaltung mit etwa hundert Teilnehmern konnte ich nur einen Teil der Abläufe beeinflussen.
Jahre später ist mir klar geworden, dass es diese erste Erfahrung war, die mir zeigte, wie wichtig es ist, bei der Vorbereitung von Veranstaltungen alle Nuancen zu berücksichtigen und sich auf das Unerwartete einzustellen. Das Wertvollste für mich war, die aufrichtige Reaktion der Teilnehmer zu sehen – Freude, Interesse, Engagement. Besonders schön ist es, wenn die Kinder auch nach der Veranstaltung noch traditionelle deutsche Spiele spielen.
— Welche Veranstaltung war für Sie am herausforderndsten, aber gleichzeitig unvergesslich?
— Das Festival „Hochzeit der Wolgadeutschen“ im September 2024. Wir haben Anfang des Jahres mit den Vorbereitungen begonnen: Wir haben Kostüme genäht, Spruchs gestickt, traditionelle Rezepte gelernt und Sauerkraut zubereitet – schließlich hieß es bei jeder Hochzeit traditionell: „Iss Kraut – lebe reich“.
Dieses Festival hat gezeigt, dass das Interesse an Kultur nicht nur bei den Deutschen in Kirgisistan lebt, sondern auch bei Vertretern anderer Nationalitäten und sogar Landsleuten, die in Deutschland leben. Die Reaktion im Internet war enorm — mehr als 116.000 Aufrufe auf YouTube und viele positive Kommentare. Einer davon ist mir besonders in Erinnerung geblieben: „Danke euch, Deutschen in Kirgisistan, das haben wir in Deutschland schon verloren. Bewahrt es, wir werden es später von euch importieren.“ Diese Worte bestätigten mir, wie wichtig unsere Arbeit ist.
— Woher nehmen Sie die Inspiration für neue Projekte? Schließlich wiederholen sich die Feiertage von Jahr zu Jahr.
— Obwohl alle Feste sich jährlich wiederholen ist die Ethnokultur immer wieder etwas Neues. Dabei hilft mir meine philosophische Ausbildung: Jede Tradition durchläuft eine dialektische Entwicklung. Wir kehren zu unseren Wurzeln zurück, aber auf einer neuen Ebene, in einem anderen Format. Ostern wird beispielsweise jährlich gefeiert, aber Szenario, Präsentation und Schwerpunkt ändern sich.
— Was bedeutet es für Sie, im ethnokulturellen Bereich zu arbeiten?
— Es ist nicht nur ein Job. Die Ethnokultur dringt in das Privatleben ein, in die Familie, in die Erinnerungen. Du kannst den Computer nicht einfach abschalten und bis zum nächsten Arbeitstag vergessen. Du suchst ständig nach Informationen, stellst Fragen an ältere Leute, rekonstruierst Familiengeschichten. Es hilft dir zu erkennen, dass deine Familie Teil eines großen historischen Puzzles ist.
Durch die Globalisierung werden kulturelle Grenzen aufgehoben, gleichzeitig steigt aber auch das Bedürfnis nach Einzigartigkeit. Die Wahrnehmung der eigenen Wurzeln gibt einem Menschen Selbstvertrauen und das Bewusstsein für die eigene Einzigartigkeit. Daher ist diese Tätigkeit für mich nicht nur eine berufliche, sondern auch eine persönliche Mission.
Die Tätigkeit von Natalia Dvoryaninova im Bereich der Ethnokultur ist nicht nur eine Erforschung von Traditionen, sondern eine lebendige Verbindung zwischen den Generationen, die Bewahrung eines einzigartigen Erbes und die Entwicklung kultureller Vielfalt. Ihre Arbeit beim Deutschen Humanitären Hilfsfond hilft den Menschen, nicht nur mehr über ihre Wurzeln zu erfahren, sondern auch ihre Bedeutung in der modernen Welt wahrzunehmen. Dank Enthusiasten wie Natalia gehen Traditionen nicht verloren, sondern erhalten einen neuen Klang, indem sie Menschen inspirieren und zusammenbringen. Ihre Tätigkeit ist ein wichtiger Beitrag zur Bewahrung der nationalen Identität und des geistigen Reichtums der deutschen Gesellschaft in Kirgisistan.
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